Praktikum im B12

1. Block, Kosmisch

Im B-Cluster werden gewöhnlich Lernende der 4.-6. Klasse geschult. Mir fällt auf, dass hier ein deutlich älterer Schüler ist. Die SHP erklärt mir, dass er das letzte Schuljahr besucht. Er ist nach der 6. Klasse im B-Cluster geblieben, denn noch vor zwei Jahren bildete das C-Cluster eine einzige Gruppe, was für ihn eine Überforderung gewesen wäre. Inzwischen ist auch das C-Cluster in Tandems eingeteilt, was den Alltag übersichtlicher macht. Doch für diesen Schüler schien es nicht sinnvoll, für das letzte Schuljahr die Stufe zu wechseln. Ich arbeite mit einem Schüler mit erhöhtem Bedarf (SEF). Zuerst stellen wir sein Buch zum Thema Pferde fertig. Er hat auf jeder Seite jeweils ein Pferdebild eingeklebt und etwas dazu geschrieben. Jetzt sind noch zwei Bilder übrig. Der Junge beschreibt, was er darauf sieht, ich schreibe die Wörter oder Sätze auf und er schreibt sie ab. Anschliessend machen wir ein Puzzle. Ich möchte, dass der Schüler die Gegenstände und Tiere auf der Abbildung nennt, doch er ist nicht in der Lage, sich darauf zu fokussieren. Er möchte lieber Pferdebücher anschauen. Die SHP bringt uns fünf Bücher. Der Junge schaut sie nur oberflächlich an. Auch hier ist es so, dass er nicht in der Lage ist, sich auf eine Abbildung zu fokussieren. Er ist in wenigen Minuten mit den fünf Büchern durch. Damit das Pferdebuch dennoch beendet werden kann, erstellt der Junge ein Titelblatt. Er darf am Internet ein Ausmalbild auswählen, welches ausgedruckt wird. Er verwendet beim Ausmalen stets Bleistift oder Schwarz. Die SHP fragt sich, ob er womöglich keine Farben sieht. Ausserdem malt er extrem unsorgfältig. Die SHP ist sich nicht sicher, ob er sorgfältiger malen könnte. Nun hat der Schüler genug gearbeitet. Er darf alleine im Gang Ball spielen. Doch das kommt nicht gut, denn er ist sehr laut. So gehe ich mit ihm raus und einen Moment lang kann der Junge ziemlich ruhig spielen. Kann er sich vielleicht doch besser steuern, als es manchmal den Anschein macht?

2. Block, Lebenspraxis

Die Kinder mit einer geistigen Behinderung oder Down-Syndrom (SEF) erhalten im Schulalltag ein Zeitfenster, in dem sie untereinander sein können. Laut Aussage der Betreuerin schätzen sie diese Zeit sehr, die auch Lebenspraktischer Unterricht genannt wird. Letzte Woche wurden die Wochentage gelernt. Im inklusiven Unterricht wiederhole ich deshalb mit zwei Kindern die Wochentage. Für die Schülerin schreibe ich die Tage vor und sie fährt sie nach. Der Schüler ist in der Lage, die Wörter von der Vorlage abzuschreiben. Anschliessend darf ich beim Lebenspraktischen Unterricht dabei sein. Heute nehmen sechst Kinder daran teil. Zu Beginn sitzen wir um einen Jahreskreis, auf dem alle Monate stehen. Die Kinder lernen, nach dem Wohlbefinden des Anderen zu fragen und darauf zu antworten. Wir singen einige Lieder, die allesamt mit Bewegungen begleitet werden. Beim Sprechen verwendet die Heilpädagogin eine Art Gebärdensprache. Wir wiederholen die aktuelle Jahreszeit und die Kinder legen passende Gegenstände dazu. In der Pause geht es darum, dass die Kinder lernen, sich selber zu beschäftigen. Dabei werden sie von den Betreuerinnen unterstützt. Nach der Pause folgt ein Block in zwei Kleingruppen. Die Kinder trainieren die Zahlen von 1-10 nach der kybernetischen Methode (Spindler & Dreher, 2001). Ich bin gegenüber dieser Methode skeptisch und finde dazu auch Kritik in der Literatur. Die Autoren behaupten, die kybernetische Methode sei für alle Kinder die angemessene Methode, um rechnen zu lernen. Rechenschwäche würde gar nicht erst aufkommen. Die Lernenden müssen auf eine ganz bestimmte Art mit ihren Fingern zählen, was an Finger-Artistik erinnert. Sie werden dazu verleitet, zu glauben, ein bestimmter Finger sei eine bestimmte Zahl. Die Operationen lernen sie nach einem bestimmten Schema. Auf der Strecke bleibt dabei, Einsichten zu den Zahlaspekten zu vermitteln. Das Finger-Abzählen ist nicht zuletzt ein Problem von vielen Rechenstörungen.

3. Block, Mathematik

Im B12-Cluster erhalten die Kinder erst ab der 5. Klasse Lehrmittel, und das nur in Mathe. Für Kinder auf Hauptschul- und Gymnasialniveau ist dies das Genial! 1+2. Auf den ersten Blick sieht das Lehrmittel etwas unübersichtlich aus. Ein Vorteil ist jedoch die Aufteilung in drei Niveaus: zentrale Themen für Kinder mit SPF, Grundlagen für Kinder auf Hauptschulniveau bzw. Neue Mittelschule (NMS) und erweiterte Aufgaben für Lernende auf gymnasialem Niveau. Lernende mit SPF arbeiten meistens mit einem anderen Lehrmittel: Rechnen leicht gemacht, das für die Kinder eher kleinschrittig angelegt ist. Dieses Vorgehen wird in der Literatur nicht empfohlen, da so keine Einsichten vermittelt werden können. Im Alltag ist es jedoch manchmal so, dass die Lernenden selbständig arbeiten müssen, da nicht rund um die Uhr eine Betreuung gewährleistet ist. In diesen Zeiten müssen sie Materialien erhalten, die sie selbständig bearbeiten können. Das ist bei offenen und ganzheitlichen Aufgabenstellungen eher schwierig. Ich denke, das Beste ist eine Kombination von ganzheitlichen Lernarrangements und darauf aufbauend übersichtlichen Übungsmaterialien, mit denen das erworbene Wissen vertieft werden kann. Wichtiger ist, dass am mathematischen Basisstoff gearbeitet wird (Schmassmann, 2012).


Kommentare