Praktikum im C34 und C56

Lebenspraktischer Unterricht

Jahreszeitenkreis

Es ist Herbst, wir sind im Monat November

Die Heilpädagogin führt heute den Lebenspraktischen Unterricht mit 5 Jugendlichen mit SEF. Drei von ihnen kenne ich bereits. Zwei der Mädchen sind sehr offen und suchen den Körperkontakt. Das ist für mich neu, denn im traditionellen Unterricht wäre das undenkbar. Der Einstieg ist ähnlich wie im Übergang. Wir versammeln uns um den Jahreszeitenkreis und fragen einander nach dem Wohlbefinden. Für die Jugendlichen ist es nicht leicht, Interesse füreinander zu zeigen und einander zuzuhören. Ein Junge fällt mir als recht kommunikativ auf. Umso mehr erstaunt es mich, dass er die gleiche Diagnose wie sein Kollege hat (Autismus-Spektrum-Störung). Bekanntlich gibt es unterschiedliche Ausprägungen von ASS. Über die Interaktion zwischen den beiden Jungs an diesem Morgen ist die SHP sehr erstaunt und erfreut. Denn der ältere Junge ist für gewöhnlich vorwiegend erwachsenenorientiert. Mit dem anderen ist da jedoch ein Gleichaltriger, der offensichtlich einen Draht zu ihm hat. Wir beobachten sie während der Pause, wie sie miteinander Comics anschauen. Der ältere verlässt nächstes Jahr die ILB und der jüngere ist jetzt noch im Übergang, trotz seines Alters. Die SHP hat deshalb die Idee, die Mütter der beiden Jungs miteinander bekannt zu machen, damit sie auch ausserhalb der Schule miteinander Kontakt aufnehmen können.
Auch zwischen den Mädchen ergeben sich Interaktionen. Eifersucht ist spürbar. Einer Schülerin fällt es schwer, freundlich zu den anderen zu sein. Sie ist sehr vereinnahmend. Wenn sich die anderen beiden Mädchen miteinander abgeben, schmollt sie. Spricht man ein freundliches Wort zu ihr, ist sie jedoch schnell wieder fröhlich.
Zurück zum Morgenkreis. Nachdem alle etwas von sich erzählt haben, wiederholt die SHP mit den Jugendlichen die Jahreszeiten, Monate und Tage. Zu jedem Tag gibt es eine Geste. Nach der Pause ist das Thema Impulskontrolle. Das sei v.a. für den älteren Jungen mit ASS wichtig, da er immer wieder Gefühlsausbrüche hat. Die SHP hat folgenden Plan:

  1. Schwertkampf
  2. Rollenspiel: Die Jugendlichen spielen wütende Tiere. Sie erhalten ein Tuch und stecken es als Schwanz hinten in die Hose. Danach versucht man einander diese Tücher zu klauen. Wie gehen die Jugendlichen damit um? Können sie ihre Emotionen kontrollieren? Anschliessend soll darüber reflektiert werden.
  3. Stuhl der Freundlichkeit
Aus Zeitgründen müssen wir das Rollenspiel auf nächstes Mal verschieben. Wir legen eine Mattenbahn aus und jeweils zwei Jugendliche kämpfen mit weichen Schwertern gegeneinander. Der ältere Schüler mit ASS ist mit der Situation überfordert, jedenfalls wird in ihm kein Kampf- oder Spielgeist geweckt. Bei den anderen jedoch schon. Nach einer Minute ist der Kampf zu Ende und die Kämpfer bedanken sich per Handschlag für das Spiel. Zum Abschluss setzen sich die Jugendlichen nacheinander auf einen Stuhl und erhalten von den anderen positive Rückmeldungen (warme Dusche). Eine Schülerin ist dazu nicht in der Lage, sie sagt jeweils etwas über sich oder ein anderes Kind. Die positiven Worte der anderen für sich nimmt sie jedoch dankend an. Bei dem älteren Jungen mit ASS scheint die Situation Unbehagen auszulösen. Sie überfordert ihn vermutlich. Die SHP kann ihn wieder beruhigen.

Ernährung und Haushalt

Nach der Pause mache ich einen Besuch im C56. Heute sind nur die 7.-Klässler anwesend. Die Jugendlichen waren am Morgen bei Merkur und haben sich dort in verschiedenen Gruppen über Nahrungsmittel informiert. Beispielsweise kennen sie nun die Bedeutung der Zahlen 0-3, die auf den Eiern abgedruckt ist. Sie wissen auch, dass sehr billiges Fleisch nicht gekauft werden sollte, weil es vermutlich aus der Massentierhaltung stammt. Das Ziel des Unterrichts ist, dass die Jugendlichen für Tierhaltung und Produktion sensibilisiert werden, damit sie beim Einkaufen bewusste Entscheidungen treffen können. Vier Jugendliche haben am Morgen in der Kochschule eine Türkische Linsensuppe zubereitet. Um 11 Uhr essen wir sie gemeinsam. Anschliessend führen die drei Lehrpersonen mit den Jugendlichen ein Klassengespräch über das Gelernte. Als Belohnung für gute Antworten erhalten sie eine Schokobanane. Es ist nicht einfach, die Konzentration der 15 Jugendliche zu halten. Üblicherweise sind es nur 10 Schülerinnen und Schüler, doch da die 8.-Klässler heute fehlen, ist alles ein wenig anders. Diese Situation gibt Anlass, dass sich die drei Lehrerinnen nach dem Unterricht über ihre Zusammenarbeit austauschen. Die Kochlehrerin beklagt sich, dass sie viel zu wenig Zeit hat, neben dem Kochen mit den Jugendlichen über andere Themen zu sprechen (Ernährung, Haushalt, Tierhaltung, usw.). Die beiden Lernbegleiterinnen finden es eine gute Idee, wenn sie jeweils parallel mit den Jugendlichen diese Themen ansprechen. Diese Situation zeigt mir, wie wichtig der Austausch unter den Fachpersonen ist!

Türkische Linsensuppe

Freiarbeit

Anschliessend nehmen ich an der Freiarbeit im C56 teil. Die Jugendlichen können wählen, woran sie arbeiten. Die meisten nutzen die Zeit, um an Inhalten aus anderen Fächern zu arbeiten. Doch das ist nicht Pflicht. Einige Jugendlichen arbeiten im Gang. Ich beobachte, wie einige ihre Woche planen und einen Stundenplan erstellen. Dadurch lernen sie Verantwortung für ihr Lernen zu übernehmen. Es ergibt sich, dass ich länger mit einer Lernbegleiterin sprechen kann. Sie ist erst seit September an der ILB und möchte gerne, dass ich ihr meinen Eindruck von der Schule schildere, was ich gerne mache. Die Schule ist sehr facettenreich. Durch die Autonomie der Tandems sind die Einstellungen der Mitarbeiter sehr unterschiedlich, was der neuen Lernbegleiterin auch aufgefallen ist. Wie wird damit umgegangen, wenn Jugendliche ein schlechtes Arbeitsverhalten an den Tag legen? Wir fragen den anderen Lernbegleiter. Er sagt, bei ihm hätte eine schlechte Arbeitshaltung Einfluss auf die Noten, doch er wissen von Kollegen, bei denen es keine Konsequenzen gäbe. Bis zur 7. Klasse sei die Beurteilung des Arbeitsverhaltens im Zeugnis vorgesehen, danach nicht mehr. Dieses kurze Gespräch ist ein weiteres Indiz dafür, dass an der ILB kein einheitliches Konzept existiert. Dennoch herrscht unter den Lernbegleitern ein positives Klima. Neue Lehrpersonen an der ILB erhalten ein Jahr Zeit, um sich einzuleben. In dieser Zeit haben sie auch die Möglichkeit, in anderen Tandems zu schnuppern. Dem Rektor ist es sehr wichtig, dass die Mitarbeiter ihre Gaben einbringen und in dem Bereich arbeiten, wofür ihr Herz schlägt. So konnten eine SHP die Lebenspraxis und ein SHP das Lernen in der Au ins Leben rufen. Jeder Mitarbeiter entwickelt ein eigenes Profil und identifiziert sich dadurch mit seiner Arbeit.

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