Leopoldschule


Zusammen mit einer Studienkollegin besuche ich heute die Leopoldschule. Sie ist eine inklusive Schule an der Leopoldsgasse in Wien mit aktuell 64 Sonderschul- und 120 Volksschulkindern. Sie führt 8 Spezialklassen (1.-9. Kl.) und 5 integrativ geführte Volksschulklassen (1.-4. Kl.).
Die S-Klassen werden ausschliesslich von Sonderschülern besucht und haben einen Einzugsgebiet über mehrere Bezirke. Die maximale Klassengrösse beträgt 8 Lernende und die Klassen werden von einer Klassenlehrperson und einem Heilpädagogen betreut. Die Klasseneinteilung erfolgt nach den Fähigkeiten. Die I-Klassen bestehen aus 16 Regelschülern und 4 Sonderschülern und werden ebenfalls von zwei Lehrpersonen betreut. Diese Kinder stammen vorwiegend aus dem 2. Bezirk, in dem sich auch die Schule befindet. Jeweils zwei Klassen bilden ein Team. Sie werden von weiteren Personen unterstützt, z.B. von Zivildienern, einem Native Speaker fürs Englisch, einem Musiktherapeuten usw.

Die Schwerpunkte der Schule sind:

  • Inklusive Schule mit Spezialklassen und integrativ geführten Klassen
  • Ganztägige Betreuung mit Frühdienst ab 7.15 Uhr. Etwa die Hälfte der Schülerinnen und Schüler besuchen die Nachmittagsbetreuung.
  • Kunst-, Kultur-, Musikpädagogik (Schulchor, Schulband, rhythmisch-musikalische Erziehung)
  • Förderspezifische Angebote wie heilpädagogisches Reiten, unterstützte Kommunikation, sensorische Integration und keramisches Gestalten
  • Kooperationen mit der Musikschule Leopoldstadt, Erasmus+ Projekt, WUK Faktor C (Berufliche Orientierung), jeunesse - musik erleben, Albertina Wien, Kulturschultüte

Die Sozialpädagogin erzählt uns, dass für alle abgehenden Sonderschüler an der Leopoldschule eine Anschlusslösung gesucht und gefunden würde, z.B. eine Beschäftigung in einer Werkstätte. Es kommt aber leider immer wieder vor, dass die Eltern ihr Kind lieber zu Hause behalten. Denn sobald das Kind aus der Schule kommt, müssen die Eltern für die Werkstätte 30% des Pflegegeldes und die Verpflegung bezahlen.

Zuerst besuche ich eine Trommel-Lektion in einer S-Klasse, die von der Rhythmiklehrerin gehalten wird. Die Atmosphäre ist entspannt und die Lehrerin ist sehr geduldig mit den Kindern.
In der zweiten Lektion findet eine Chorlektion in einer grossen Gruppe statt. Die Lehrpersonen haben alle Hände voll zu tun. Es wird gesungen und getanzt.
Die dritte Lektion findet wieder in einer S-Klasse statt. Zusammen werden einfache Dirigiertechniken erlernt und ausprobiert. Dies ist herausfordernd. Ein Junge kriecht immer wieder am Boden herum und ein Mädchen räuspert sich fast ununterbrochen. Die Lehrpersonen beraten sich, wie sie die Situation in Zukunft handhaben sollen.
In der letzten Lektion schliesslich hospitiere ich in einer 2. I-Klasse. Obwohl die Englisch-Lehrerin (Native Speaker) anwesend ist, übernimmt der Heilpädagoge die Führung der Unterrichtsstunde. Zu Beginn hören die Kinder erneut eine Geschichte, die sie vor den Ferien behandelt haben. Anschliessend singen sie zusammen ein Lied. Dann liest der Heilpädagoge einen Text vor, indem es um ein Kind geht, das auf einen Stuhl steigt, um eine Schokolade von einem Gestell zu holen. Es springt vom Stuhl, tut sich am Fuss weh und lässt die Schokolade fallen. Der Hund holt sie und haut ab. Diese Szene wird nun mehrmals von jeweils zwei Kindern gespielt und von einem Kind gefilmt. Damit auch die Zuschauer etwas zu tun haben, rufen alle am Schluss: Hey, bring it back! Am Ende der Lektion schauen wir uns die Filme an.
Was mich beeindruckt, ist der Umgang des Heilpädagogen mit Störungen. Nachdem alle Kinder im Chor einen Satz geäussert haben, schreit ein Junge nochmals denselben Satz laut heraus. Anstatt, dass der SHP ihn zum Stillsein ermahnt, geht er zu ihm hin, schaut ihn auf Augenhöhe an und spricht in einem sehr ruhigen Ton mit ihm. Das hat eine enorme Wirkung - eine grössere Wirkung, als wenn er geschimpft hätte!

Nach dem Schulbesuch dürfen wir mit dem Schulleiter sprechen. Er erzählt uns, dass es ihm ein grosses Anliegen ist, dass alle Sonderschüler nach der Pflichtschulzeit eine Anschlusslösung erhalten. Die Pflichtschulzeit beträgt für Sonderschüler 9 Jahre - im Gegensatz zu den Regelschülern, die 11 Jahre die Schulbank drücken müssen. Ausserdem erfahren wir, dass die Österreichischen Schulen ab 2019 autonom geführt werden - also so, wie wir es in der Schweiz kennen. Bis jetzt ist es so, dass die Lehrpersonen den Schulen zugeteilt werden. So ist es ganz normal, dass der Schulleiter seine Mitarbeiter erst an ihrem ersten Arbeitstag kennen lernt. Darin sieht er sogar einen Nutzen: Jeder Schulleiter hat eine Vorstellung, welche Lehrpersonen an seiner Schule arbeiten sollen. Das schränkt den Blick bei der Auswahl von Mitarbeitern ein. Werden die Lehrpersonen einer Schule zugeteilt, kann dies auch einen frischen Wind bringen. Harmoniert die Zusammenarbeit jedoch überhaupt nicht, kann man sich versetzen lassen.

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